Die Geschichte der Magie in Nordamerika. By J.K. Rowling

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Vierzehntes Jahrhundert – Siebzehntes Jahrhundert

By J.K. Rowling

Obwohl die europäischen Eroberer den neu entdeckten Kontinent die „Neue Welt“ nannten, wussten die Zauberer schon sehr viel länger von der Existenz Amerikas als die Muggel. (Anmerkung: Jede Nation hat ihre eigene Bezeichnung für „Muggel“, im amerikanischen Kulturkreis hat sich der umgangssprachliche Begriff „No-Maj“ durchgesetzt, die Kurzform für „No Magic“). Die vielen Varianten des magischen Reisens – darunter der Besen oder das Apparieren – führten ganz abgesehen von Visionen und Vorahnungen dazu, dass auch weit verstreut lebende Zauberergemeinschaften schon ab dem Mittelalter in Kontakt miteinander standen.

Die magische Gemeinschaft der Ureinwohner Amerikas und jene in Europa und Afrika wussten schon voneinander, lange bevor im siebzehnten Jahrhundert die europäischen No-Majs immigrierten. Sie waren sich auch der vielen Parallelen zwischen ihren Gesellschaften durchaus bewusst. Bestimmte Familien waren eindeutig „magisch“, während in anderen, in denen es bis dahin keine Hexen oder Zauberer gegeben hatte, überraschend neue Talente auftauchten. Das Zahlenverhältnis zwischen magisch begabten und nicht begabten Menschen schien in allen Bevölkerungen weitgehend übereinzustimmen; gleiches gilt für die Einstellung der No-Majs zur Magie, unabhängig davon, wo sie geboren wurden. Bei den amerikanischen Ureinwohnern wurden manche Hexen und Zauberer von ihren Stämmen akzeptiert oder sogar verehrt, sei es, weil sie einen guten Ruf als Heiler hatten oder sich als außergewöhnlich begabte Jäger hervortaten. Andere hingegen wurden für ihre Überzeugungen stigmatisiert, meist, weil man glaubte, sie seien von bösen Geistern besessen.

Die Legende der amerikanischen Ureinwohner über den „Gestaltwandler“ – eine böse Hexe oder einen Zauberer, der sich willentlich in ein Tier verwandeln kann – hat tatsächlich einen wahren Kern. Um die indianischen Animagi rankte sich jedoch die Legende, dass sie enge Familienmitglieder opferten, um die für die Transformation nötigen Kräfte zu gewinnen. In Wahrheit nahmen die meisten Animagi ihre tierische Gestalt nur an, um vor Verfolgung zu fliehen oder für ihren Stamm zu jagen. Solche üblen Gerüchte wurden oft von No-Maj-Medizinmännern in die Welt gesetzt, die manchmal selbst vorgaben, über magische Kräfte zu verfügen und ständig in der Furcht lebten, entlarvt zu werden.

Die magische Gemeinschaft der Ureinwohner Amerikas setzte besonders auf dem Feld der Tier- und Pflanzenmagie Maßstäbe, vor allem ihre Zaubertränke erreichten eine Raffinesse, von der man in Europa nur träumen konnte. Der augenfälligste Unterschied in der magischen Praxis zwischen amerikanischen Ureinwohnern und den Zauberern Europas bestand im Verzicht auf den Zauberstab.

Der Zauberstab stammt ursprünglich aus Europa. Er kanalisiert die Magie und macht ihre Wirkung zugleich präziser und kraftvoller. Dennoch gilt es als Kennzeichen wirklich großer Hexen und Zauberer, dass sie auch ohne Zauberstab dazu in der Lage sind, Magie von höchster Qualität zu wirken. Wie die Animagi und die Zaubertrankbrauer der amerikanischen Ureinwohner bewiesen haben, kann man auch ohne einen Zauberstab höchst komplexe Ergebnisse erzielen. Zaubersprüche und Verwandlungen ohne einen Zauberstab durchzuführen, ist aber äußerst schwierig.

Siebzehntes Jahrhundert und später

By J.K. Rowling

Als die No-Maj-Europäer begannen, in die Neue Welt einzuwandern, ließen sich auch immer mehr europäische Hexen und Zauberer in Amerika nieder. Wie ihre No-Maj-Pendants hatten sie vielerlei Gründe, ihrer alten Heimat den Rücken zu kehren. Manche wurden von ihrer Abenteuerlust angetrieben, die meisten aber waren einfach auf der Flucht: Manche vor der Verfolgung durch die No-Majs, andere vor anderen Hexen oder Zauberern, einige jedoch auch vor den Zauberei-Behörden. Letztere versuchten, in der stetig wachsenden Masse der No-Majs unterzutauchen oder sich bei magischen Familien der amerikanischen Ureinwohner zu verstecken, die ihre europäischen Brüder grundsätzlich sehr gastfreundlich aufnahmen.

Von Anfang an war jedoch klar, dass in der Neuen Welt ein rauer Wind wehte, und dass es für die Hexen und Zauberer aus der Alten Welt nicht einfach sein würde, sich hier zu behaupten. Dafür gab es hauptsächlich drei Gründe.

Erstens kamen sie, genau wie ihre No-Maj-Brüder und -Schwestern, in ein Land, das nur wenige Annehmlichkeiten bot, außer jenen, die man sich selbst schuf. Zuhause hatten sie nur dem örtlichen Apotheker einen Besuch abstatten müssen, um alles zu finden, was sie für ihre Zaubertränke benötigten, hier hingegen mussten sie versuchen, unter all den unbekannten magischen Pflanzen das Richtige zu finden. Es gab keine alteingesessenen Zauberstabmacher und die Ilvermorny-Schule für Hexerei und Zauberei, die eines Tages zu den renommiertesten magischen Einrichtungen der Welt zählen sollte, bestand zu dieser Zeit aus nicht mehr als einer einfachen Hütte, zwei Lehrern und einem verwaisten Brüderpaar.

Zweitens ließ das Verhalten ihrer No-Maj-Brüder die nicht-magische Bevölkerung in der alten Heimat die meisten Zauberer in einem geradezu freundlichen Licht erscheinen. Nicht genug damit, dass die Immigranten begonnen hatten, gegen die amerikanischen Ureinwohner Krieg zu führen, was auch die lokale magische Gemeinschaft hart traf, ihre religiösen Überzeugungen gingen zudem mit einer tiefen Intoleranz allem gegenüber einher, was auch nur im Entferntesten nach Magie aussah. Die Puritaner beschuldigten sich beim kleinsten Anzeichen mit Freuden gegenseitig okkulter Machenschaften, und die Hexen und Zauberer der Neuen Welt taten gut daran, sich vor ihnen extrem in Acht zu nehmen.

Das letzte und wahrscheinlich gefährlichste Problem, mit dem sich die magischen Neuankömmlinge in Nordamerika konfrontiert sahen, waren aber die Reiniger. Da die magische Gemeinschaft Amerikas nur klein war und zudem weit verstreut und im Geheimen lebte, hatte man noch keinerlei eigene Mechanismen entwickelt, um für Recht und Ordnung zu sorgen. Dieses Vakuum wurde von einer skrupellosen Bande zaubernder Söldner unterschiedlichster Nationalitäten ausgefüllt, die sich zu einer gefürchteten und brutalen Truppe zusammengeschlossen hatte, und nicht nur ausgewiesene Kriminelle zur Strecke brachte, sondern jeden Zauberer jagte, mit dem sich ein paar Goldstücke verdienen ließen. Mit der Zeit wurden die Reiniger immer korrupter. Außer Reichweite der magischen Gerichtsbarkeit ihrer Heimatländer pflegten viele eine Liebe zur Autorität und zur Grausamkeit, die durch ihre eigentliche Aufgabe kaum mehr zu rechtfertigen war. Solche Reiniger hatten Freude an Blutvergießen und Folter und gingen sogar so weit, andere Zauberer oder Hexen zur Ware zu machen. Die Zahl der Reiniger stieg im späten siebzehnten Jahrhundert in ganz Amerika sprunghaft an und es gibt Beweise dafür, dass sie es nicht für unter ihrer Würde hielten, unschuldige No-Majs als Zauberer auszugeben, um von leichtgläubigen nicht-magischen Mitgliedern der Gemeinschaft Belohnungen zu kassieren.

Die berühmten Hexenprozesse von Salem in den Jahren 1692/93 waren eine Tragödie für die Zauberergemeinschaft. Magie-Historiker sind sich einig, dass sich unter den sogenannten puritanischen Richtern mindestens zwei bekannte Reiniger befanden, die die Chance nutzten, um mit ihren Feinden in der Neuen Welt abzurechnen. Ein Teil der Opfer waren tatsächlich Hexen, jedoch gänzlich unschuldig an den Verbrechen, die man ihnen vorwarf. Alle anderen waren einfach No-Majs, die das Pech hatten, in den Sog der allgegenwärtigen Hysterie und Blutlust zu geraten.

Salem war aus Gründen bedeutsam für die amerikanische magische Gemeinschaft, die weit über den tragischen Verlust von Menschenleben hinausgehen. Eine unmittelbare Folge war, dass viele Hexen und Zauberer aus Amerika flohen, während eine noch größere Anzahl entschied, sich gar nicht erst dort anzusiedeln. Dies führte, verglichen mit Europa, Asien und Afrika zu interessanten Abweichungen der magischen Gemeinschaft von Nordamerika. Bis in die ersten Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts war der Anteil von Hexen und Zauberern an der Gesamtbevölkerung Amerikas geringer als auf den vier anderen Kontinenten. Reinblütige Familien, die durch die magischen Zeitungen gut informiert über die Aktivitäten der Puritaner und der Reiniger waren, machten sich nur sehr selten auf den Weg nach Amerika. Aus diesem Grund gab es in der Neuen Welt deutlich mehr muggelstämmige Hexen und Zauberern als andernorts. Da diese Hexen und Zauberer oft heirateten und so ihre eigenen magischen Familien gründeten, fand die Ideologie des reinen Blutes in Amerika sehr viel weniger Anhänger als in Europa.

Die vielleicht wichtigste Konsequenz, die man aus Salem zog, war die Gründung des Magischen Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahr 1693, also etwa hundert Jahre vor der Etablierung seines No-Maj-Pendants. Die bei allen amerikanischen Hexen und Zauberern unter der Abkürzung MACUSA bekannte Institution (Magical Congress of the United States of America) bot der nordamerikanischen magischen Gemeinschaft zum ersten Mal die Möglichkeit, ihre eigenen Gesetze zu erlassen und eine magische Gesellschaft zu erschaffen, die innerhalb der No-Maj-Gesellschaft existierte – so wie es in den meisten anderen Ländern bereits üblich war. Erstes Ziel des MACUSA war es, die Reiniger vor Gericht zu stellen, die ihre eigenen Leute verraten hatten. All jene, die man wegen Mordes, des Handels mit Zauberern, Folter und aller möglichen anderen Grausamkeiten verurteilte, wurden für ihre Verbrechen hingerichtet.

Einige der berüchtigtsten Reiniger konnten sich ihrer Bestrafung entziehen. Während sie mit internationalem Haftbefehl gesucht wurden, tauchten sie unauffindbar und endgültig in der No-Maj-Gemeinschaft unter. Manche von ihnen heirateten No-Majs und gründeten Familien, in denen magisch begabter Nachwuchs scheinbar zugunsten der nicht-magischen Nachkommen ausgemerzt wurde, um die Tarnung des Reinigers nicht zu gefährden. Die rachsüchtigen Reiniger, ausgestoßen von den Ihren, gaben an ihre Kinder die feste Überzeugung weiter, dass Magie etwas sehr Reales ist, und dass man Hexen und Zauberer auslöschen müsse, wo immer man sie antraf.

Der amerikanische Magie-Historiker Theophilus Abbot konnte mehrere dieser Familien identifizieren, jede davon glaubte ebenso fest an die Magie wie sie sie verabscheute. Es mag auch an den magiefeindlichen Überzeugungen und Aktivitäten der Nachkommen der Reiniger-Familien liegen, dass nordamerikanische No-Majs sehr viel schwerer zu täuschen und in die Irre zu führen sind als andere Völker, wenn es um Magie geht. Dies hatte weitreichende Auswirkungen darauf, wie die amerikanische magische Gemeinschaft regiert wird.

Rappaports Gesetz

By J.K. Rowling

Im Jahr 1790 erließ Emily Rappaport, die fünfzehnte Präsidentin des MACUSA, ein Gesetz, das die völlige Trennung der magischen Gemeinschaft und der No-Maj-Gesellschaft zum Ziel hatte. Auslöser für diesen Schritt war einer der bis dahin schwersten Verstöße gegen das Internationale Geheimhaltungsabkommen, was einen demütigenden Tadel durch die Internationale Zauberervereinigung nach sich zog. Erschwerend kam hinzu, dass der Verstoß praktisch in den Reihen des MACUSA selbst stattgefunden hatte.

Kurz gesagt spielte die Tochter von Präsidentin Rappaports hoch geschätztem Schatzmeister und Hüter des Dragots eine tragende Rolle bei dieser Katastrophe (der Dragot ist die magische amerikanische Währung, der Hüter des Dragots ist also in etwa das Äquivalent zu einem Schatzkanzler). Aristotle Twelvetrees war ein kompetenter Mann, aber seine Tochter Dorcus war so dumm wie hübsch. In Ilvermorny war sie eine überaus schlechte Schülerin gewesen. Als ihr Vater sein hohes Amt übernahm, lebte sie zuhause, befasste sich nur selten mit der Zauberkunst, konzentrierte sich dafür aber umso mehr auf die Auswahl ihrer Kleider, ihre Frisur und das Ausrichten von Partys.

Eines Tages verliebte sich Dorcus Twelvetrees bei einem Picknick in einen gutaussehenden No-Maj namens Bartholomew Barebone. Was Dorcus nicht ahnte, war, dass Bartholomew ein Reiniger-Abkömmling war. Niemand in seiner Familie verfügte über magische Fähigkeiten, aber sein Glaube an die Magie war ebenso tiefsitzend und unerschütterlich wie seine Überzeugung, dass alle Hexen und Zauberer böse waren.

Ohne sich der Gefahr auch nur im Geringsten bewusst zu sein, nahm Dorcus Bartholomews höfliches Interesse an ihren „kleinen Tricks“ für bare Münze. Geschickt gelenkt von den scheinbar naiven Fragen ihres Schönlings gab sie nicht nur die geheimen Adressen des MACUSA und der Ilvermorny-Schule preis, sondern verriet ihm auch etliches über die Internationale Vereinigung der Zauberer und über sämtliche Methoden, mit denen diese Institutionen sich und die Welt der Zauberer zu schützen versuchten.

Nachdem er Dorcus seiner Meinung nach genügend Informationen entlockt hatte, stahl Bartholomew den Zauberstab, den sie ihm so bereitwillig vorgeführt hatte, zeigte ihn so vielen Zeitungsleuten wie möglich, sammelte bewaffnete Freunde um sich und machte sich daran, alle Hexen und Zauberer in der näheren Umgebung zu verfolgen und wenn möglich zu töten. Bartholomew druckte auch Flugblätter mit den Adressen, an denen sich Hexen und Zauberer zusammenfanden und schrieb Briefe an prominente No-Majs, die wiederum weitere Nachforschungen anstellten, um herauszufinden, ob an den angegebenen Orten tatsächlich „moralisch verwerfliche okkulte Feiern“ stattfänden.

Berauscht von seiner Mission, die Hexerei in Amerika zu desavouieren, ging Bartholomew Barebone eines Tages jedoch zu weit: Er schoss auf eine Gruppe, die er für MACUSA-Zauberer hielt, in Wahrheit handelte es sich aber um No-Majs, die unglücklicherweise ein verdächtiges Gebäude verließen, während er es beobachtete. Zum Glück wurde niemand getötet, und Bartholomew wurde verhaftet und für sein Verbrechen eingesperrt, ohne dass der MACUSA weiter in die Sache verwickelt wurde. Der MACUSA war enorm erleichtert angesichts dieser Entwicklung, denn es war ein ungeheurer Kraftakt, die verheerenden Folgen von Dorcus’ Indiskretion einigermaßen in den Griff zu bekommen.

Bartholomew hatte seine Flugblätter fleißig verbreitet und einige Zeitungen hatten ihn ernst genug genommen, um Fotos von Dorcus’ Zauberstab abzudrucken, versehen mit dem Hinweis, dass er „ausschlug wie ein Maulesel“, wenn man ihn schwenkte. Die Sache hatte so viel Aufmerksamkeit auf den Sitz des MACUSA gelenkt, dass man gezwungen war, die Räumlichkeiten zu wechseln. Als Präsidentin Rappaport für eine öffentliche Untersuchung vor die Internationale Vereinigung der Zauberer zitiert wurde, konnte sie nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob wirklich alle Personen, denen Dorcus’ Informationen zu Ohren gekommen waren, mit einem Vergessenszauber belegt werden konnten. Die Sicherheitslücke war so eklatant gewesen, dass man die Nachwirkungen auch Jahre später noch spürte.

Obwohl viele Mitglieder der magischen Gemeinschaft forderten, Dorcus lebenslänglich einzusperren oder sogar hinzurichten, verbrachte sie nur ein einziges Jahr im Gefängnis. Vollkommen entehrt und unter einer schweren Neurose leidend, wurde sie schließlich in eine völlig veränderte Gesellschaft entlassen. Sie verbrachte den Rest ihres Lebens in totaler Abgeschiedenheit, Gesellschaft leisteten ihr dabei nur ein Spiegel und ihr Papagei.

Dorcus’ Indiskretion gab den Anstoß zur Verabschiedung von Rappaports Gesetz. Rappaports Gesetz forderte die strikte Trennung zwischen der magischen Gemeinschaft und der Welt der No-Majs. Zauberern war es fortan nicht mehr gestattet, Freundschaften zu No-Majs zu pflegen. Die Strafen für jede Verbrüderung mit den No-Majs waren hart. Die gesetzlich erlaubte Kommunikation mit den No-Majs wurde auf das absolut Notwendige reduziert.

Rappaports Gesetz vertiefte den Graben zwischen der Kultur der amerikanischen und der europäischen magischen Gemeinschaft noch weiter. In der Alten Welt hatte es immer eine Übereinkunft gegeben, die die geheime Kooperation und Kommunikation zwischen der No-Maj-Regierung und ihrem magischen Pendant sicherte. In Europa heirateten Hexen und Zauberer No-Majs und freundeten sich mit ihnen an; in Amerika hingegen galten die No-Majs mehr und mehr als Feinde. Kurz gesagt führte Rappaports Gesetz die amerikanische magische Gemeinschaft, die ohnehin schon mit einer außergewöhnlich misstrauischen No-Maj-Bevölkerung leben musste, noch tiefer in den Untergrund.

Das Magische Amerika der 1920er

By J.K. Rowling

Die amerikanischen Zauberer hatten im Ersten Weltkrieg von 1914-18 ihre Pflicht erfüllt, auch wenn die überwältigende Mehrheit ihrer Kameraden sich ihres Beitrags nicht bewusst war. Da es auf beiden Seiten magische Fraktionen gab, war ihr Einsatz nicht kriegsentscheidend, aber sie errangen viele Siege, indem sie verhinderten, dass es noch mehr Opfer gab oder aber ihre magischen Feinde in die Flucht schlugen.

Diese gemeinsame Unternehmung änderte jedoch nichts an der harten Haltung des MACUSA bezüglich jeder Fraternisierung zwischen No-Majs und Zauberern. Rappaports Gesetz galt so ehern wie eh und je. In den 1920ern hatte sich die magische Gemeinschaft Nordamerikas daran gewöhnt, unter strengeren Sicherheitsbestimmungen leben zu müssen als ihre europäischen Brüder und Schwestern, und sich ausschließlich mit ihresgleichen zusammenzutun.

Die Erinnerung an Dorcus Zwölfbaums katastrophalen Verstoß gegen das Geheimhaltungsabkommens hatte bereits Eingang in die magische Sprache gefunden, und „Dorcus“ war mittlerweile ein umgangssprachlicher Ausdruck für einen Idioten oder eine unfähige Person. Der MACUSA verhängte weiter drakonische Strafen über all jene, die das Internationale Geheimhaltungsabkommen verletzten. Der MACUSA war zudem intoleranter gegenüber magischen Phänomenen wie Gespenstern, Poltergeistern oder anderen fantastischen Kreaturen als europäische Behörden. Man fürchtete das Risiko, diese Wesen und Geister könnten die No-Majs auf die Existenz der Magie aufmerksam machen.

Nach der Großen Sasquatch-Rebellion von 1892 (als Nachschlagewerk zu diesem Thema wird Ortiz O’Flahertys hochgelobtes Werk “Big Foots letztes Gefecht” empfohlen) musste das MACUSA-Hauptquartier zum fünften Mal in seiner Geschichte umziehen, diesmal von Washington nach New York, wo es bis in die 1920er Jahre auch verblieb. Präsidentin war während der gesamten Dekade Madam Seraphina Picquery, eine außerordentlich begabte Hexe aus Savannah.

In den 1920ern florierte die Ilvermorny-Schule für Hexerei und Zauberei bereits seit mehr als zweihundert Jahren und galt als eine der besten magischen Bildungseinrichtungen der Welt. Da sie alle gemeinsam ausgebildet werden, können alle amerikanischen Hexen und Zauberer mit einem Zauberstab umgehen.

Ein Gesetz, das Ende des neunzehnten Jahrhunderts in Kraft trat, verlangte, dass jedes Mitglied der magischen Gemeinschaft Amerikas eine „Zauberstab-Lizenz“ besitzen musste. Mit dieser Maßnahme wollte man sämtliche magischen Aktivitäten überwachen und eventuelle Missetäter schnell anhand ihrer Zauberstäbe identifizieren können. Anders als in Großbritannien, wo Ollivander als das Maß aller Dinge galt, wurde der Bedarf in Nordamerika von vier großen Zauberstabproduzenten gedeckt.

Shikoba Wolfe, die vom Volk der Choctaw abstammte, war berühmt für ihre kunstvoll geschnitzten Zauberstäbe, deren Kern aus den Schwanzfedern des Donnervogels bestand (der Donnervogel ist ein magischer amerikanischer Vogel, eng verwandt mit dem Phönix). Wolfes Zauberstäbe galten als extrem machtvoll, aber äußerst anspruchsvoll in der Handhabung. Sie wurden vor allem von Verwandlungszauberern geschätzt.

Johannes Jonker, ein muggelstämmiger Zauberer, dessen No-Maj-Vater ein begabter Kunsttischler gewesen war, wurde selbst später zum begabten Zauberstabmacher. Seine Zauberstäbe waren äußerst begehrt und schon auf den ersten Blick zu erkennen, denn für gewöhnlich waren sie mit Perlmutt-Intarsien verziert. Nachdem er mit vielen Materialien experimentiert hatte, entschied Jonker, dass sich das magische Haar der Wampus-Raubkatze am besten für den Kern eignete.

Thiago Quintana sorgte in der ganzen magischen Welt für Aufsehen, als seine geschmeidigen, meist sehr langen Zauberstäbe auf den Markt kamen. Jeder enthielt als Kern einen einzelnen, transparenten Dorn vom Rücken des White-River-Ungeheuers von Arkansas. Die Zauber, die man damit wirkte, waren sowohl kraftvoll als auch elegant. Die Befürchtungen, es könnte dadurch zu einer Gefährdung der Flussungeheuer-Bestände kommen, zerstreuten sich, als bewiesen wurde, dass Quintana allein wusste, wie man sie anlockte. Er hütete dieses Geheimnis bis zu seinem Tod eifersüchtig, ab diesem Zeitpunkt musste die Produktion von Zauberstäben mit Dornen des White-River-Ungeheuers eingestellt werden.

Violetta Beauvais, die legendäre Zauberstabmacherin aus New Orleans, wollte das Geheimnis des Kerns ihrer Zauberstäbe, die immer aus dem Holz des Sumpf-Weißdorns gemacht waren, viele Jahre lang nicht preisgeben. Endlich stellte sich heraus, dass sie Haare des Rougarou enthielten, eines gefährlichen hundeköpfigen Monsters, das die Sümpfe Louisianas durchstreifte. Oft behauptete man, Beauvais’ Zauberstäbe würden die dunkle Magie anziehen wie Blut einen Vampir. Dennoch gingen viele Helden unter den amerikanischen Zauberern in den 1920ern mit nichts als einem Beauvais-Zauberstab bewaffnet in die Schlacht und selbst Präsidentin Picquery soll einen besessen haben.

Anders als den No-Majs, war es den amerikanischen Hexen und Zauberern in den 1920er Jahren gestattet, Alkohol zu trinken. Viele Kritiker dieser Politik wiesen darauf hin, dass sich Hexen und Zauberer dadurch in Städten voller nüchterner No-Majs ziemlich verdächtig machten. In einem ihrer wenigen heiteren Momente soll Präsidentin Piquery darauf erwidert haben, das Leben als Zauberer in Amerika sei so schon hart genug. „Das Giggelwasser“, wie sie ihrem Stabschef mitteilte, „ist nicht verhandelbar.“

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